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Urlaub mit dem eigenen Pferd – Reiserecht für Reiter

Von Lars Jessen, geschrieben am 19. Februar 2024

Reiserecht für Reiter
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ST_Außenboxen_300-2-300x206Das ganze Jahr findet sich in den Fachzeitschriften eine bunte Mischung attraktiver Reiseziele. Denn für uns Reiter gibt es kaum etwas Schöneres, als mit dem eigenen Pferd zu verreisen. Leider sind aber oft die Versprechungen in Prospekten groß und die Enttäuschung anschließend ebenfalls, wenn das Angebot nicht stimmt.
Was kann man tun, um solche Enttäuschungen zu vermeiden und welche rechtlichen Möglichkeiten hat man, wenn das Pferd mit einer Kolik wegen verschimmelter Silage in der Klinik steht? Im Beitrag „Reiserecht für Reiter“ beschreibt Lars Jessen, Rechtsanwalt und auf diesem Gebiet freier Journalist aus Hamburg, die möglichen Probleme eines Reiterurlaubs und welche Ansprüche man im Schadensfall hat. 

An einfachsten sind mögliche Schwierigkeiten anhand einer kleinen Geschichte darzustellen, die hier zur Verdeutlichung ein bisschen überzeichnet wurde. Einzelne Mängel könnten sich jedoch jederzeit so abgespielt haben.

Die Urlaubsplanung

Zwei Freundinnen, Lara und Monika, planen zusammen mit ihren Pferden auf die Lightning’s Ranch zu fahren, deren Prospekt sie auf einer Messe erhalten haben. Er verspricht große Außenboxen, individuell zusammenstellbares Futter, täglichen Weidegang, Ausbildung in allen Westerndisziplinen durch einen amerikanischen Trainer, 100 Kilometer Reitwege, die direkt am Stall beginnen. Für den Menschen soll ebenfalls ausreichend gesorgt sein. Darauf hin buchen die beiden einen zweiwöchigen Urlaub, der auch per Fax bestätigt wird.

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Sicher ist sicher…

Die Planung beginnt beim Transport: Lara ist Eigentümerin und Fahrerin des Gespanns und nimmt Monikas Pferd unentgeltlich mit. Hier sollte die Gespannführerin wissen, dass sie sicherheitshalber eine Transportversicherung abschließen sollte, um bei einem selbstverschuldeten Unfall abgesichert zu sein. Außerdem ist in diesem Fall das Be- und Entladen, ein oft unfallträchtiges Vorgehen, mit versichert. Nach fünf Stunden Fahrt kommen die beiden am Urlaubsort an.

Die Unterbringung

Als erstes stellt sich heraus, dass der Stall- und Pensionsbesitzer zwar die Buchung für Lara und Monika, nicht aber für die beiden Pferde aufgenommen hatte. Anstatt der versprochenen Außenboxen werden schnellstens zwei Innenboxen freigemacht, deren eigentliche Bewohner nun auf der Koppel übernachten müssen. Für Laras Santo ist dies nicht ganz unproblematisch, weil er chronische Atemprobleme hat und daher in einer Innenbox, die sich noch dazu neben dem Heulager befindet, sofort zu husten beginnt. Der Stallbesitzer verspricht, dieses Problem „schnellstmöglich“  aus der Welt zu schaffen, d.h. ein anderes Pferd umzustellen.

Manch‘ einen sticht der Hafer…

Das „individuelle Futter“ sollte üblicherweise aus Hafer und Pellets bestehen. Letzere sind leider gerade ausgegangen und die nächste Lieferung kurzfristig nicht in Sicht. Damit kann nun Monikas Pferd, die temperamentvolle Araberstute Aisha, nur schlecht leben: Erfahrungsgemäß wird sie nach zwei Tagen dieser Fütterung sprichwörtlich vom Hafer gestochen…

Vorsicht bei Stacheldraht

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So sollte keine Pferdeweise eingezäunt werden!

Monika ist allerdings zuversichtlich, dass durch den täglichen Weidegang ein Großteil der Haferfütterung ohnehin entfallen kann. Bei genauerer Besichtigung der Koppel stellt sich allerdings heraus, dass diese ehemalige Rinderweide immer noch mit stromgeladenem Stacheldraht umzäunt ist.

Durch die erste Besichtigung etwas entnervt, beschließen die beiden, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen. Dann wollen sie entscheiden, ob sie sofort nach Hause fahren oder ob sich die Mängel vielleicht doch noch beheben lassen. Für die menschliche Unterbringung bleibt noch zu sagen, dass die Zimmer mit Bad und WC leider auch schon vergeben waren. Man muss nun aufs „indische Örtchen jenseits des Ganges“…

Good bye American Training

Am nächsten Tag scheint wenigstens die Sonne programmgemäß und die Welt sieht gleich viel freundlicher aus. Die beiden wollen nun doch bleiben und sich darauf zu verlassen, dass der Stallbesitzer sowohl das Boxen- als auch das Futterproblem lösen wird. Schließlich sind sie hierher gekommen, um in ihrer Ausbildung voranzukommen: Santo soll kurz nach dem Urlaub seine erste Open Reining bestreiten und Aisha ist eine begabte Pleasure- und Trail-Stute, die ihr bereits erreichtes Niveau noch verfestigen möchte.

Also macht machen sich Lara und Monika  auf den Weg zu Reithalle, deren Größenangaben mit 60 x 20 m richtig angepriesen war. Dort stellt sich heraus, dass der amerikanische Trainer bereits vor drei Monaten gekündigt hat und der Unterricht nun vom Auszubildenden im ersten Lehrjahr durchgeführt werden soll. Bisher hat er hauptsächlich Anfänger beaufsichtigt…

UrlaubsausrittBevor Lara und Monika  nun endgültig abreisen, wollen sie noch einen kleinen Ausritt machen, damit sich die Tiere ein wenig die Beine vertreten können. Zu den vom Prospekt beschriebenen Reitwegen muss man heute (im Gegensatz zur Erinnerung von Monika aus den siebziger Jahren) eine halbe Stunde an der Bundesstraße entlang reiten. Aisha ist für derartige Experimente nicht zu gebrauchen. Es bleibt nur noch die Abreise.

Die rechtliche Sicht

Durch die Buchungsbestätigung des Stallinhabers ist ein Vertrag geschlossen worden, dessen Inhalt bzw. die einzelnen Leistungsinhalte sich nach dem Prospekt richten. Das umfasst hier alle Einzelheiten, die oben in der Schilderung genannt wurden. Geht man von dem vorliegenden Beispiel aus, dass wirklich keine der versprochenen Leistungen auch erfüllt wurde, kann man den Vertrag kündigen und abreisen. Für spätere Beweiszwecke ist es sicherlich anzuraten, sich die Mängel vom Stallinhaber bestätigen zu lassen, Fotos anzufertigen (z.B. von der Stacheldrahtweide oder den Boxen etc.). Die erste Konsequenz ist für den Urlauber, dass er natürlich seinen Reisepreis nicht bezahlen muss.

Wer ersetzt den Schaden?

Was aber ist mit den Kosten, die durch die Anfahrt entstanden sind (Anhängermietpreis, Treibstoff, Transportversicherung etc.), und mit den sog. „entgangenen Urlaubsfreuden“ , also dem finanziellen und immateriellen Schaden, der entstanden ist? So kann Lara zum Beispiel ihren Urlaub nicht beliebig auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.


Die Pflichten des Stallinhabers

Der Stallinhaber wusste, dass die Angaben in seinem Prospekt nicht zu erfüllen waren, und trotzdem hat er den Aufenthalt nach Zusendung des Prospektes so bestätigt. Deswegen haftet er auf Schadensersatz. Die Berechnung der finanziellen Höhe ist bei den Reisekosten relativ einfach. Die tatsächlich entstandenen Kosten müssen erstattet werden. Schwieriger wird es bei den „entgangenen Urlaubsfreuden“  bzw. den nun nicht entsprechend nutzbaren Ferientagen der beiden. Hier schuldet der Stallinhaber für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld.

Was ist eine „Beeinträchtigung“?

Für die Höhe sind viele unterschiedliche Aspekte entscheidend: zum Beispiel die Schwere der Beeinträchtigung, Höhe des Reisepreises, Einkommensverhältnisse des Reisenden und ob ein Ersatzurlaub in einem anderen Ort verbracht werden kann. Schon an der Aufzählung sieht man, wie schwierig es im Einzelfall ist, einen angemessenen Betrag zu definieren. Bei Reiterreisen wiegen die Mängel, die mit diesem Sport zusammenhängen, sehr schwer, da das Reiten der Hauptzweck der Reise ist.

Das Landgericht Frankfurt/Main hält einen Tagessatz von 72 Euro pro Peraon für angemessen (LG Frankfurt/M. NJW-RR 03, 640).

Wenn’s nicht ganz so schlimm ist…

Der vorliegende Fall ist sicherlich ein Extrembeispiel, der zur sofortigen Abreise führte. Liegen nur wenige Mängel vor, die der Urlauber hinnimmt, so sollte er diese dem Betreiber nennen und um Abhilfe bitten. Sicherheitshalber sollte er sich dies vom Stallbetreiber selbst und/oder einem Zeugen zusätzlich bestätigen lassen. Die Folge ist, dass man den Endpreis mindern kann. Werden die Mängel nicht abgestellt und ist der Aufenthalt dadurch „erheblich beeinträchtigt“, kann man abreisen und nur den Teil bezahlen, der bereits „abgewohnt“ wurde. Hier sollte man im Auge behalten, dass man diese Kosten mit einem eventuellen Schadensersatz (s.o.) verrechnen kann. „Erheblich“ ist bei einem Urlaub mit Pferden sicherlich, wenn die Gesundheit des Tieres gefährdet ist, trotz Prospektankündigung kein Ausreitgelände vorhanden oder kein entsprechender Unterricht möglich ist.

Der Stallbetreiber hat grundsätzlich dafür zu sorgen, dass von der Reitanlage keine Gefahren für Mensch und Tier ausgehen. Verletzt sich ein Pferd an unsachgemäß ausgestatteten Boxen oder bekommt es verdorbenes Futter, so hat er für die daraus entstandenen Schäden Schadensersatz zu leisten. Das sind: Tierarzt-, Klinik- und Transportkosten und eventuell der oben bereits beschriebene immaterielle Schaden durch entgangene Urlaubsfreuden. Bei der Heilbehandlung bekommt man auch dann die Kosten ersetzt, wenn diese den Wert des Tieres erheblich übersteigen (§ 251 Abs. 2, S.2 BGB).

Die Sache mit dem Beweis

Abschließend ist natürlich zu bemerken, dass die Reisenden die Beweispflicht dafür haben, dass der Schaden am Tier tatsächlich auf ein Fehlverhalten des Stallinhabers zurückzuführen ist. Was bei einem rostigen Nagel in der Box, an dem sich das Pferd offensichtlich das Auge verletzt hat, relativ einfach ist – bei der Kolik nach unsachgemäßer Fütterung ist dieser Beweis sehr viel schwieriger anzutreten. Hier wird ein tierärztliches Gutachten erforderlich sein, das schlüssig beweist, dass die Erkrankung durch das Futter hervorgerufen wurde und keine andere Ursache möglich war.

Vorsicht ist besser als Heilung

Es sei daher jedem angeraten, sich einen Urlaubsstall wenn möglich vorher genau anzusehen und mit dem Betreiber abzusprechen, welche reiterlichen Aktivitäten für den Reisenden wichtig sind. So sind grobe Enttäuschungen von vornherein zu vermeiden.

Weitere Informationen bei Rechtsanawalt Lars Jessen

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