Wer einen Reiturlaub mit Unterricht der der besonderen Art verbringen möchte – sei es ein Reitanfänger, Wiedereinsteiger in der zweiten Lebenshälfte oder ratsuchender Fortgeschrittener mit irgendeinem Problem – ist in der Reiterpension Marlie in Klingberg in der Holsteinischen Schweiz gut aufgehoben. Zwar braucht man viel Geduld im Unterricht mit Wolfgang Marlie. Doch jede Minute lohnt. Denn der Mann, der „Reiten – wie von Zauberhand bewegt“ zu seiner Unterrichtsphilosophie gemacht hat, erklärt Pferde und ihr Wesen theoretisch von Grund auf, um es seinen Schülern dann in der Praxis leichter zu machen.
Angeboten wird das Komplettprogramm von der Bodenarbeit über Sitzschulung und Anleitung zum sicheren Ausreiten bis zum hohen Ziel der Versammlung. Das klingt in der Theorie klassisch und traditionell, ist in der Praxis aber anders – im positiven Sinne. Für die Urlaubsgäste bietet sich die gemütliche Pension an, in der man im Winter sogar am Kamin sitzen kann.
Für Freizeitreiter, Wiedereinsteiger und Reiter in der zweiten Lebenshälfte
Wolfgang Marlies Einladung geht an Reiter von „8 bis 88 Jahren“. Seine Hauptkundengruppe sind Freizeitreiter, darunter auch viele Reiter und Wiedereinsteiger in der zweiten Lebenshälfte. Die Ausbildung findet – oft als Kurs im Urlaub – überwiegend in der Halle und auf dem wunderschön gelegenen Reitplatz statt. Zwölf Schulpferde unterschiedlichen Alters und Ausbildungsstandes stehen dafür zur Verfügung.
Nach Wolfgang Marlies 57jähriger Reiterfahrung (er ist jetzt 72) hat es sich sehr bewährt, zunächst die grundsätzlichen Instinkte und daraus folgenden Verhaltensweisen des Herden- und Fluchttieres Pferd im Rahmen der Bodenarbeit zu erklären. „Ich habe wie die meisten Reiter mit der klassischen Reitlehre begonnen und meine Trainerausbildung, heute Trainer A, absolviert. Allerdings bin ich mit der Zeit darauf gekommen, dass der typische Reitunterricht gerade für Neulinge oder Wiedereinsteiger in der Regel einen Schritt zu spät beginnt. Sie haben Ängste oder Bedenken, weil ihnen das Pferd als Wesen noch völlig unbekannt ist. Es hat sich daher in unserem Betrieb sehr bewährt, unseren Gästen zunächst das Pferd und sein Wesen als Herden- und Fluchttier nahe zu bringen und ihnen die ersten praktischen Erfahrungen auf sicherem Boden zu ermöglichen“, erklärt Wolfgang, mit dem man als Schüler gleich per Du ist – und mit allen anderen in der Reiterpension Marlie auch.
Genau beobachten, erkennen, lernen
Auf diese spannende Arbeit lässt sich auch die Mitfünfzigerin Christiane ein, die früher einmal Gelegenheitsreiterin im Urlaub oder zusammen mit ihren zwei Töchtern war, den Sport aber nie wirklich erlernt hat. Vernünftigerweise hat sie einen gesunden Respekt vor den großen Tieren, die ihr körperlich weit überlegen sind.
Reitlehrerin Katja Brandau übernimmt die Regie bei den ersten Übungen. Die Bodenarbeit beginnt mit dem vorsichtigen Kennenlernen der 18jährigen Warmblutstute Isar, die sich entspannt auf dem eingezäunten Reitplatz bewegt und gelegentlich am Rand zu grasen beginnt. Mit der Aufforderung, einfach zu versuchen, das Pferd in Bewegung zu versetzen, ist der „Nichtpferdemensch“ Christiane anfangs schon genügend gefordert. Sobald sie aber durch verschiedene Versuche, auf das Pferd zuzugehen erkennt, wie einfach es im Grunde zu bewegen ist, wächst auch das Vertrauen zum Tier und der Mut zur eigenen Courage.
Hierarchie, Führung und Vertrauen
Während der praktischen Arbeit wird auch die passende Theorie erklärt, dass bei Pferden Hierarchie das zentrale Element ist: Als Herdentiere sind sie nur sicher, wenn sie zuverlässig geführt werden. Und die Führung definiert sich bei Pferden über den Raum. Wer mehr Rechte am Raum hat und ihn einteilen kann, wird als führungsstark anerkannt. Bringt man das Pferd also immer wieder dazu, von seinem gerade beanspruchten Platz zu weichen, erkennt es die menschliche Führungskompetenz. Meistens sucht das Pferd nach kurzer Zeit bereits die Nähe des Menschen, weil es sich dort sicher fühlt. Und gerade dieses Wissen ist für den Menschen umgekehrt auch ein gutes Gefühl und das wiederum die beste Basis für ein vertrauensvolles Erlebnis im Sattel.
„Wir versuchen also, die Kunden dort abzuholen, wo sie stehen. Reiten soll in erster Linie Freude machen. Das wird einfacher, wenn wir uns mit dem Pferd einstimmen. Oft kommen Gäste in eine Reitschule und entschuldigen sich als erstes, dass sie nicht reiten können und haben Angst, sich zu blamieren. Wir möchten dafür sorgen, dass sich jeder, der sich auf eine Beziehung und das Lernen mit Pferden einlassen möchte, wohl fühlt und Spaß daran hat. Und oft sehen wir, dass ein Anfänger sich über den ersten erfolgreichen Trab an der Longe mehr freut als ein Turniersieger“, erklärt Wolfgang.
Sicherheit in jedem Schritt
Nach der positiven Einstimmung durch die Bodenarbeit, im Rahmen derer Christiane die Stute Isar geputzt und mit Hilfe von Katja gesattelt und aufgetrenst hat, geht es zur Aufsteigehilfe und rauf aufs Pferd. Sicherheitshalber hat sie einen Helm und auch eine Sicherheitsweste an.
Die erste Aufgabe ist nun, sich auf dem an der Longe geführten Pferd im Schritt bequem in die Bewegung einzufinden, wobei sich Christiane auch am Sattel festhalten darf. „Wir geben am Anfang bewusst nicht zu viele Anweisungen, weil sie der Reiter ohnehin nicht umsetzen kann. Die meisten Leute haben Mühe, ruhig zu atmen“, erläutert Katja. Sobald sich Christiane sicherer fühlt, lässt sie den Sattel los und sitzt relativ locker in der Balance. Jetzt ist es auch an der Zeit, einfache Sitzanweisungen zu geben.
Beim ersten Trab achtet Katja genau darauf, dass die Schülerin nicht aus der Balance gerät und lässt Isar sofort Schritt gehen oder anhalten, wenn sie das Gefühl hat, dass Christiane unsicher wird. Zunächst hat Christiane noch kein Gefühl für den Gangart- und Taktwechsel und fällt gelegentlich ein wenig nach vorne. Um dies zu entwickeln, werden die Gangartwechsel nur zu Beginn angesagt und dann durch wiederholtes Erleben geübt. „Ich habe mich immer sicher gefühlt, gerade weil ich durch die Bodenarbeit schon Vertrauen zum Pferd und auch zu mir hatte. Es war für nicht wie der Umgang mit einem fremden Sportgerät, sondern ich wurde gut darauf eingestimmt“, meint Christiane nach ihrer ersten Trainingseinheit, die insgesamt gut zwei Stunden gedauert hat. Am zweiten Tag, der wieder mit Bodenarbeit beginnt und mit Reiten endet, verabredet sie sich mit Katja bereits für eine Wiederholung der positiven Erfahrung.
Keine Spur von Phlegma…
Eine ganz andere Aufgabenstellung hatten Wolfgang und Katja mit dem Pferd der Autorin dieses Beitrages: Die Quarter Horse Stute Yellows Peppy Sue versprang den fliegenden Wechsel speziell vom Links- in den Rechtsgalopp und dies vor allem in langsameren Tempi. Es fehlte schlicht der Schub von hinten und das saubere Durchspringen im Galopp.
Die ursprüngliche Annahme, das Pferd sei von Grund auf phlegmatisch und faul, erwies sich beim Bodenarbeitstest als falsch. Spritzig-fröhlich reagierte Peppy auf feinste Signale.
Freude an der Bewegung erhalten!
Die Frage war nun, wie bei der im Grunde munteren Stute, bei der das Betreten der Reitbahn nahezu sedierende Wirkung zu haben schien, die Freude an der Bewegung unter dem Sattel erhalten werden konnte. Die Empfehlung klang theoretisch banal: „Du musst nur eines können: Richtig treiben“, so Wolfgang. „Es erfolgt in Impulsen. Wie in der Musik brauche ich erst ein Gefühl für den einzelnen Ton (die Hilfe), bevor ich eine Melodie spielen kann. Beim Reiten entsteht für mich eine Bewegungsmelodie“, so Wolfgang weiter.
Vom Einzelimpuls zur Kombination
Der Trainer hat sich daher intensiv mit der einfühlsamen Anwendung der Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen beschäftigt – einzeln und in Kombination – und hat dafür eine spezielle Lehrmethode entwickelt. Im Zentrum steht das schrittweise Kennenlernen und Ausführen der einzelnen Hilfen, so dass jede Übung klar und überschaubar bleibt und der Reiter ein gutes Verständnis und Gefühl für das Zusammenspiel der reiterlichen Hilfen entwickelt.
Ein einfaches Hilfsmittel für die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd ist die Gerte. Wie die Ohren des Pferdes kann sie sowohl den Wunsch nach Nähe als auch nach Abstand signalisieren. Entscheidend sind Klarheit und Berechenbarkeit der Maßnahme: Zum Beispiel legt man die Gerte zunächst nur an, wenn nach zwei bis drei Sekunden keine Reaktion erfolgt, dann touchiert man das Pferd bis es schneller läuft. Andere Hilfen erhält das Pferd nicht, auf keinen Fall sollte es über Paraden wieder gebremst werden. Peppy hatte die Signale blitzschnell begriffen und bewegte sich frei und sprang mit offensichtlichem Spaß bald sogar aus dem Schritt in den Galopp. Kommentar der gespannten Zuschauerin Christiane: „Doris hat sich auf das ungewohnte Vorgehen eingelassen, bei dem ja die gewohnte Kontrolle zunächst einmal verloren geht. Das erschien mir für beide Seiten eine erstaunliche Erfahrung, mit Spaß aus den gewohnten Wegen heraus zu finden“.
Die fliegenden Wechsel funktionierten nun zumindest in dem schwungvollen Tempo auch auf der schwierigeren Seite. Der nächste Schritt ist nun, die Gertenhilfe mit dem treibenden Bein zu koordinieren, damit das Pferd auch darauf schnell reagiert.
Von der freien Bewegung zur Versammlung
„Der Zügel ist keine Bremse, sondern ein Impulsgeber.“ Die große Herausforderung ist es, die Freude der freien Bewegung in die Versammlung mitzunehmen. Die geschmeidige, lockere, kraftvolle Bewegung und Aufrichtung eines Pferdes ergibt sich aus der gefühlvollen Abstimmung der einzelnen Hilfen aufeinander. „Wie beim Tanzen erlerne ich zunächst den Grundschritt wie beim Erlernen eines Musikinstrumentes zunächst den einzelnen Ton. Beim Reiten ist es die einzelne Hilfe und Bewegung, die für das Pferd in ihrer Bedeutung klar erkennbar und umsetzbar sein muss. Wie die Gerte geben Zügel und Schenkel Impulse, die in der Kombination das Pferd mit Eleganz und Dynamik ‚über das Parkett schweben’ lassen“, so der Trainer.
Diese Herangehensweise war eine neue und sehr interessante Erfahrung. Die Freude an der Bewegung, welche die Stute gezeigt hat, soll nun als Idee in die heimatliche Halle mitgenommen werden. Das weitere Training zu Hause wird zeigen, ob sich die hier erlernte und in der ersten Phase der Praxis bewährte Theorie auch langfristig umsetzen lässt, um das komplexere Ziel der Versammlung mit Begeisterung, Freude und Energie erreichen zu können.
Reiterpension Marlie
Die Reiterpension Marlie ist ein seit 1954 bestehender Familienbetrieb im schleswig-holsteinischen Klingberg unweit von Scharbeutz, in dem von Anfang an Reiterferien und Unterricht angeboten wurden. Wolfgang Marlie übernahm den Betrieb Mitte der 60er Jahre und leitet ihn mit seiner Frau Kari. Der gelernte Hotelfachmann ist seit 1960 Amateurreitlehrer FN (heute als Trainer A bezeichnet) und selbst bis Klasse M Dressur und Springen geritten.
Auf seinem 28.000 Quadratmeter großen Areal bietet er Hotelgästen und Reitern aus der Umgebung in seiner FN-anerkannten Reitschule neben dem Reitunterricht in der Halle und auf dem Reitplatz auch erste Geländeerfahrungen auf gesichertem Terrain. Sowohl der individuell gebuchte Unterricht (Einzel oder Gruppe) als auch die 2- und 5-Tages-Kurse konzentrieren sich auf den Umgang mit dem Pferd im Reiten und am Boden. Das Angebot ist differenziert ausgerichtet auf Reitanfänger und „Anfänger 50+“, Fortgeschrittene und die Beratung im Hinblick auf Pferde mit Problemen.
Alle Schul- und Gastpferde stehen mit Kommunikationsmöglichkeiten zum Nachbarn in Boxen, die groß und sauber eingestreut sind. Die Schulpferde stehen regelmäßig auf Paddocks, für Gastpferde besteht diese Möglichkeit ebenfalls. Dreimal täglich erhalten die Pferde individuell vereinbartes Futter.
Für Reiter bietet die Pension 19 helle Einzel- und Doppelzimmer, überwiegend mit Bad. Im Zimmerpreis enthalten ist Halbpension.
Wer neben dem Reiten auch noch ein wenig Ostseeluft schnuppern möchte, kann dies im nur wenige Kilometer entfernten Scharbeutz oder Haffkrug tun.
Weitere Informationen:
Reiterpension Marlie
FN-Reitschule
Uhlenflucht 1-5
23684 Scharbeutz-Klingberg
Telefon: 04524 / 8220
Telefax: 04524 / 1254
E-mail: info@reiterpension-marlie.de
www.reiterpension-marlie.de