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Im Reisefieber: Verlade- und Transportstress

Von Doris Jessen, geschrieben am 20. März 2021

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BM_MegaMaster_Blick-nach-draussen_Web-225x300Mit dem Verladen und Transportieren von Pferden gibt es nicht selten Probleme. Aus verschiedenen Gründen sind die Pferde oftmals mit den Auswirkungen und Anforderungen des Anhängerfahrens überfordert. Doch selbst „alte Hasen“ stehen beim Transport unter großem Stress, was die Pferdebesitzer gerade auf einer längeren Fahrt in den Urlaub nicht ungeachtet lassen dürfen.

Allein in Deutschland werden laut Statistik im Jahr mehr als eine halbe Million Pferdetransporte durchgeführt. Dabei handelt es sich überwiegend um Sportpferdetransporte, also Pferde, die zu Turnieren und Rennen oder anderen Veranstaltungen gefahren werden. Von Sportpferden werden am Zielort in der Regel Höchstleistungen erwartet. Nur allzu oft aber ist es den Tieren nicht möglich, ihre Leistungsgrenze zu erreichen und die Erwartungen der Besitzer zu erfüllen. Dies hat viele Faktoren, denn die fremde Umgebung, Menschenansammlungen, laute Musik und extrem viele neue Eindrücke rund um solchen Veranstaltungen stressen das Pferd und belasten den Organismus. Doch auch der Transport selbst bedeutet für das Tier großen Stress, der selbst durch Gewöhnung nicht vollständig ausgeschaltet werden kann. Dieser Aspekt wird oftmals nicht beachtet. Besonders lange Anhängerfahrten, wie sie auch auf dem Weg in den Urlaub oft durchgeführt werden, steigen die Belastungen enorm.

Eine fundierte Vorbereitung des Pferdes für den Transport ist unerlässlich, aber auch die Ausstattung des Transporters sowie die Fahrweise und Länge der Fahrt sind wichtige Faktoren, um den Transportstress einzuschränken.

Verladetraining

Verladen_PresseEtwa 25 bis 30 Prozent der Pferde werden als nicht verladefromm bezeichnet. Eine erschreckende Zahl, wenn man bedenkt, dass diese Pferde meistens tatsächlich panische Angst ausstehen, wenn ein Transport bevorsteht. Die Gruppe der nicht verladefrommen Pferde kann man grob in zwei Kategorien einteilen: Die einen haben Angst, die anderen hingegen sind aus verschiedenen Gründen unwillig. Beide Pferdetypen sind oftmals nur unter großem Druck oder Zwangsmitteln zu verladen. Viele Pferdebesitzer haben das Problem, dass sie nicht wissen, in welche Kategorie ihr Pferd einzustufen ist, zumal es auch „Mischformen“ gibt. Das macht eine Korrektur beziehungsweise eine gute Verladeausbildung schwierig.

Bei unwilligen Pferden spielen häufig die nicht unerheblichen Stressfaktoren eine große Rolle, den Transporter nicht zu besteigen. Somit muss man darauf achten, den Stresspegel möglichst gering zu halten und das Pferd beispielsweise mit kurzen Fahrtstrecken langsam an das Transportieren zu gewöhnen. Bei ängstlichen Pferden muss man viel Geduld aufbringen, da die Stressfaktoren nicht beseitigt werden können. Darum dauert es länger, bis das Pferd Vertrauen fassen kann.

Für die Verladeschulung genügt es nicht, das Pferd auf den Anhänger zu führen und dort zu füttern. Vielmehr muss es Vertrauen in die Situation fassen, auf einem sich fortbewegenden Anhänger zu stehen. Kurze Fahrstrecken sind die beste Gelegenheit, ein Pferd an das Fahren zu gewöhnen, bis man eine längere Strecke plant.

Um dem Pferd Vertrauen geben zu können, ist die Ausstattung des Fahrzeuges nicht unbedeutend. Ein großer Transporter mit hellem Innenraum ist eine gute Basis. Bei Pferdeanhängern neueren Herstellungsdatums sind diese Aspekte berücksichtigt. Ebenso sollte man nur Anhänger benutzen, die bereits mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet sind. Hierzu gehören technische Details wie von außen abschraubbare Bruststangen oder ein rutschfester Bodenbelag. Gepolsterte Seitenwände sind ebenfalls empfehlenswerte Zusatzausstattungen, die dem Pferd das Fahren angenehmer machen.

Transportgamaschen_quattroAber auch die Ausstattung des Pferdes sollte sowohl auf kurzen als auch auf langen Fahrten entsprechend gewählt werden. Transportgamaschen sind aus Sicherheitsgründen Pflicht. Für einen noch besseren Schutz sollt man sich vorzugsweise für Gamaschen entscheiden, die über die Sprunggelenke reichen. Zudem darf das Pferd eine leichte Abschwitzdecke tragen, da es während der Fahrt im Anhänger zu unangenehmen Luftverwirbelungen kommt, die Muskelverspannungen und gegebenenfalls Erkältungskrankheiten fördern können.

Nur verladensgeschulte Pferde und geeignete technische Voraussetzungen des Transporters können die Stressindikatoren auf niedrigem Level halten. Doch selbst „coole“, an den Transport gewöhnte und somit relaxte Pferde stehen bei der Fahrt unter Stress. Es gibt Studien über die Auswirkungen des Transportes auf Pferde, die allerdings nur beschränkt durchgeführt wurden. Dr. Arno Lindner hat einige Ergebnisse zusammengefasst. Da bei den Untersuchungen verschiedene Faktoren eine Rolle spielen und jeweils mehrere davon verändert worden sind, konnte zwar eindeutig festgestellt werden, dass der Transport bei Pferden Stress verursacht, nicht jedoch, welche Kriterien konkret für die beobachteten Auswirkungen in Betracht kommen. Eine Auswirkung konnte also nicht eindeutig einer bestimmten Ursache zugeordnet werden.

Lieber entgegen der Fahrtrichtung

Trav_Isy_5Pferdeaufteilung

Dennoch lassen sich folgende Aspekte feststellen: Hatten die Pferde freie Standortwahl, bevorzugten sie während der Fahrt eine Stellung entgegen der Fahrtrichtung. Dies spricht also gegen die übliche Verlademethode, die Tiere in Fahrtrichtung reisen zu lassen. Andere Beobachtungen gehen dahin, dass Pferde sich am liebsten schräg zur Fahrtrichtung stellen. Dies hat wohl den Grund, dass sie sich in Kurven, bei Brems- und Anfahrtsmanöver besser ausbalancieren können. Der Standort in oder entgegen der Fahrtrichtung hatte aber keine Auswirkungen auf Herz- oder Atemfrequenz der Tiere.

Grundsätzlich aber steigen Herz- und Atemfrequenz während des Transportes deutlich an. In der Literatur wird ein Anstieg von 27 bis 100 Prozent angegeben, in erster Linie steigt die Frequenz kurz nach Beginn der Fahrt deutlich an und kann während der Fahrt wieder leicht absinken, jedoch in keinem der Fälle auf den Normalzustand zurück. Während des Transports wurden auch verstärkt Schmerz- und Angstäußerungen beobachtet, insbesondere durch Umsehen, Schwitzen, Zittern, Harn- und Kotabsatz und so weiter. Sogar bei verladegewohnten Pferden findet im Transporter der Kotabsatz nahezu obligatorisch statt – jedenfalls ein deutliches Anzeichen von leichter Nervosität und Stress. Eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit während des Transportes gilt ebenfalls als erwiesen (Ausbruch von Krankheiten durch Stressfaktoren).

Dr. Arno Lindner hat zusammen mit dem amerikanischen Tierarzt Michael Foss den Einfluss des Transportes auf das Körpergewicht der Pferde und die biochemischen Blutvariablen untersucht. Als Ergebnis stellt man fest, dass die Pferde umso mehr Körpergewicht verloren, je länger sie unterwegs waren. Für diesen Versuch transportierte der Tierarzt Michael Foss mehrere Pferde über 240 km auf zweieinhalb Stunden, 480 km auf fünf Stunden und über 720 km bei einer Fahrtdauer von siebeneinhalb Stunden. Die Tiere verloren bei der längsten Fahrtstrecke bis zu drei Prozent ihres Körpergewichts (oder 16 kg). Allerdings stellten die Tester auch fest, dass die Pferde über siebeneinhalb Stunden Transport etwa ebensoviel Gewicht verloren haben als wenn die Tiere über den gleichen Zeitraum (ohne Wasser und Futter) im Auslauf gestanden hätten.

Besonders interessant ist jedoch das Ergebnis, dass der Gewichtsverlust trotz freiem Zugang zu Wasser und Futter am nächsten Morgen nach dem Transport noch nicht ausgeglichen war! Eine Gewichtseinbuße von eineinhalb Prozent noch einen Tag nach dem Transport setzt die Leistungsfähigkeit eindeutig herab. Umso wichtiger erscheint deshalb die Forderung, dass Pferde stets gut mit Wasser und Futter während des Transports versorgt werden sollten – insbesondere natürlich auf langen Fahrten wie in den Urlaub oder auf weit entfernte Turniere.

Deutlich erhöhte Muskelenzymwerte

Foss und Lindner untersuchten auch die Aktivität des Muskelenzyms Creatin-Phosphorkinase. Lindner beschreibt eine deutliche Zunahme des Enzyms bei sechs transportierten Testpferden. Die Werte erlangten sogar höhere Werte als nach – so wörtlich – „üblichen Wettkampfbelastungen“. Daraus lässt sich ableiten, dass die Muskulatur des Pferdes während des Transports stark beansprucht wird. Dies wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das Pferd bei Fahrmanövern wie Bremsen, Anfahren oder in Kurvenlage ständig sein Gleichgewicht über Muskelarbeit regulieren muss. Dass diese Muskelarbeit so umfassend sein muss, hängt vermutlich auch damit zusammen, da Pferde keine Kurven, Brems- oder Anfahrmanöver voraussehen und lediglich auf deren Auswirkungen reagieren können. Auch der relativ hoch liegende Körperschwerpunkt des Pferdes mag hier eine Rolle spielen.

Nach Betrachtung all dieser Dinge mag es vielleicht sogar verwundern, dass viele Pferde dennoch ohne Gegenwehr in einen Transporter steigen. Zumindest darf man es nicht als Selbstverständlichkeit betrachten, wenn sich Pferde furchtlos und ohne zu zögern verladen lassen, denn jeder Transport bedeutet Stress und Leistung für das Pferd. Nur eine beste Versorgung des Tieres, ideale Transportvoraussetzungen und rücksichtsvolle Fahrweise können die Stressindikatoren verringern. Ganz abschalten lassen sich Stressfaktoren sicherlich nie, zumal nicht geklärt ist, welche genauen Kriterien bei einer Fahrt mit dem Transporter für die Stressfaktoren verantwortlich sind. Sicherlich spielen hier stets mehrere Faktoren eine Rolle.

Da Fahrten für die Pferde eine große Belastung darstellen, sollte man als verantwortungsbewusster Pferdebesitzer darauf eingehen. Dabei gilt es zu überlegen, ob ein Transport nötig und sinnvoll ist. Somit stellt sich auch die Frage, ob das Pferd wirklich mit in den Urlaub soll oder ob es sich nicht zu Hause besser erholt. Wenn ein Transport notwendig ist oder das Pferd dennoch mit in den Urlaub soll, ist eine gute Vorbereitung wichtig, um den Stresspegel zu minimieren.

FohlenVerladen_1Dies geschieht in erster Linie durch eine fundierte Verladeschulung, beste Transportbedingungen durch technisch gut ausgestattete Transporter. Natürlich kann der Stress auch durch eine angepasste Fahrweise minimiert werden. Dazu gehören auch Pausen auf der Fahrt. Gerade auf Urlaubsfahrten sollte Zeitdruck ein Fremdwort sein, damit auch das Pferd trotz Transportstress Erholung erfahren kann.

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